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Satellitenbilder für die Trassenfreihaltung

Derzeit kreisen nach Angaben der Europäischen Raumfahrtbehörde Esa rund 7.100 Satelliten in verschiedenen Umlaufbahnen um die Erde. Andere Statistiken zählen gar 9.000. Folgt man den derzeitigen Plänen der Hersteller, sollen es bis zum Jahr 2030 mehr als 60.000 sein. Viele davon sind so genannte Erdbeobachtungssatelliten (EO-Satelliten = Earth Observation). Auch ihre Zahl wächst rasant. Starteten 2012 gerade mal 14 Stück, waren es zehn Jahre später bereits 255. Tendenz stark steigend.  

Bei den Erdbeobachtungssatelliten handelt es sich um künstliche Flugkörper, die speziell für die Erdbeobachtung aus dem Orbit entworfen wurden und als Trabanten um den Blauen Planeten kreisen. Eingesetzt werden vor allem Wettersatelliten für die Meteorologie sowie Umweltsatelliten für die Umweltbeobachtung, Kartierung und Geologie. Handelte es sich anfangs zumeist um staatlich unterstützte wissenschaftliche Forschung, sind zunehmend private Unternehmen in diesem Feld aktiv, die die Unmengen an gewonnenen Daten geschäftlich nutzbringend einsetzen wollen.  

Satellitenbasierte Trassenfreihaltung im Mittel- und Hochspannungsnetz  

Dazu gehört auch die deutsche Firma LiveEO. Das Start-up wurde 2018 von Daniel Seidel und Sven Przywarra – die sich selbst als New-Space-Pioniere bezeichnen – in Berlin gegründet und hat den Weltraum als Geschäftsmodell entdeckt. Denn mittels Satellitendaten und Künstlicher Intelligenz (KI) werden Gefahrenquellen am und im Boden ermittelt und anderen Unternehmen kostenpflichtig zur Verfügung gestellt, die aus diesen Daten wiederum wertvolle Informationen generieren, ihre Prozesse optimieren, Schäden minimieren und letztlich dadurch Kosten sparen können.  

Einer der Kunden ist MITNETZ STROM. Der Stromnetzbetreiber nutzt LiveEO für die satellitenbasierte Trassenfreihaltung im Mittel- und Hochspannungsnetz. „Unter den Leiterseilen der Freileitungen befindet sich ein 50 Meter breiter Schutzstreifen, der regelmäßig überwacht werden muss“, erklärt Tom Ertel, der für die Implementierung der satellitengestützten Trassenfreihaltung der Hoch- und Mittelspannungsfreileitungen von MITNETZ STROM verantwortlich ist. „Durch die Daten aus dem Weltall wird der wiederkehrende Aufwand unserer Dienstleistungsfirmen reduziert, die weniger vor Ort sein müssen. Auch die Zahl der Eingriffe in die Vegetation kann so reduziert werden.“  

Geografische Beschaffenheit und biologische Vielfalt im Blick  

Die Satelliten arbeiten mit sichtbarem und nicht sichtbarem Licht sowie mit Radar. „Sie sind sehr klein, nicht größer als ein Koffer. Dadurch können immer mehr ins All geschossen werden und immer mehr Bilder liefern“, so Jens Hache, der als Projektleiter zuständig für die Koordination des Programms „intelligenter Netzbetrieb 2030“ ist und damit für die Koordination, Pilotierung und Umsetzung verschiedener Anwendungsfälle zur Digitalisierung der Prozesse von MITNETZ STROM verantwortlich zeichnet.  

„Ein Pixel, also ein Bildpunkt einer Bilddatei, entspricht drei mal drei Metern in der Natur, wobei auch noch höhere Auflösungen möglich sind. Diese Fotos kaufen wir ein und werten sie dann mit dem Tool von LiveEO aus. Verschiedene Gehölze bekommen unterschiedliche Farben. So entsteht ein digitales Abbild der geografischen Beschaffenheit und biologischen Vielfalt entlang unserer Trassen. Die KI überprüft dann die Abstände unserer Leiterseile zum Boden und zur Vegetation und erstellt dann gezielt Aufträge zur Trassenpflege an Stellen, an denen es kritisch ist“, beschreibt Hache das Prinzip.  

Eigenständiges ökologisches Korridor-Management

LiveEO bietet auf diese Weise eine umfassende, wöchentliche Vitalitätsanalyse für Waldgebiete auf der Grundlage von Satellitenbildern und ermöglicht bis zu 6-mal häufigere Inspektionen. Aufgrund der Erkenntnisse sei es möglich, zeitnah Gegenmaßnahmen zu ergreifen und Kosten zu sparen, sagt der Experte. „LiveEO hilft bei der automatischen Erfassung von Änderungen vor und nach der Rückschnittperiode, es erlaubt die frühzeitige Erkennung von Kahlschlägen sowie die Validierung des Rückschnitts.“

Damit sind die Möglichkeiten des Tools jedoch noch nicht ausgeschöpft. Mittels dreidimensionaler Vegetationsklassifizierung, Vitalitätsüberwachung, Artenerkennung und dem Erstellen von Wachstumsmodellen bietet es viele Features, die für Stromnetzbetreiber von hohem Wert sind. „Das Geo-Radar kann zudem Sturm- und Flutschäden erkennen, Bodenveränderungen detektieren sowie die Lage nach Stürmen beinahe in Echtzeit überwachen“, zählt Hache auf und nennt ein Beispiel: „Wir sehen die Schädigung von Bäumen durch Borkenkäfer anhand von Farbveränderungen auf den Satellitenbildern. Ein gesunder Baum hat andere Werte bei Infrarot und sichtbarem Rot, als ein kranker. Möglicherweise umfallende Bäume könnten somit erkannt werden, bevor sie in die Leitung fallen.“  

Darüber hinaus, könnten aber auch Bautätigkeiten oder Fremdobjekte im Bereich der Trassen erkannt werden, die eine Gefährdung für die Leitungen darstellen. Somit könnten die kleinen Flugkörper aus dem All zukünftig auch einen zusätzlichen Beitrag zur Sicherheit und zur Kontrolle der Freileitungen leisten und den Netzbetrieb mehr und mehr unterstützen.