Feldtest im Projekt FlexNet-EkO in Niederbobritzsch erfolgreich abgeschlossen
Ausbau der erneuerbaren Energien, Abschaltung der Atomkraftwerke, Ringen um den Ausstieg aus der Kohle – die Energiewende ist tagtäglich in aller Munde und allen Medien. Doch während auf Nachrichtenseiten und in Kommentarspalten meist übers große Ganze debattiert wird, treten die mit der Transformation verbundenen Probleme vor Ort oft in den Hintergrund. Vor Ort, das sind – wie der Name schon sagt – die Ortsnetze, die den politischen Entscheidungen standhalten und weiterhin für eine stabile Stromversorgung und eine gute Spannungsqualität sorgen sollen.
Denn die volatile Einspeisung großer Wind- und Solarparks lastet die Hoch- und Mittelspannungsnetze unterschiedlich stark aus. Darunter leidet auch die Spannungsqualität in den Ortsnetzen. Zudem werden diese immer stärker gefordert, zum Beispiel beim Laden von Elektroautos und dem vermehrten Einsatz von Wärmepumpen. Die Folge könnten Stromausfälle oder Schäden an elektrischen Anlagen sein. MITNETZ STROM hat sich deshalb frühzeitig darum bemüht, Erkenntnisse zu gewinnen, wie auch künftig ein sicherer Betrieb der Ortsnetze gewährleistet werden kann.
Seit Anfang 2019 arbeitet der enviaM-Netzbetreiber zusammen mit Projektpartnern an einer leistungselektronischen Kupplung. Diese enthält auch einen Batteriespeicher, der flexibel auf Leistungsangebot und -nachfrage im Netz reagieren soll. Dies ermöglicht die Entkopplung von Ortsnetzen und somit einen flexiblen Betrieb der Energieversorgung. Ziel ist es, die Spannung im Gleichgewicht zu halten, Stromausfälle vor Ort kurzzeitig zu überbrücken, das vorgelagerte Netz zu entlasten und unnötigen Netzausbau zu vermeiden. Zum Partnerkonsortium gehören auch die Hochschule Mittweida, die Technische Universität Dresden und die Maschinenfabrik Reinhausen.
„Saubere Spannungsqualität“
Das Forschungsprojekt trägt den Namen „FlexNet-EkO – Flexibilisierung des Netzbetriebs durch entkoppelte Ortsnetze“ wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) gefördert. Es untersucht ein zukünftiges Energiesystem mit verteilten modularen Netzen. Ziel ist es, kommunale Stromnetze zu stärken und die regionale Stromversorgung zu optimieren. Neben theoretischen Erkenntnissen gehören auch Versuche in der Praxis zum Umfang des Forschungsprojekts. Ein entsprechender Feldtest wurde Anfang April 2023 in Niederbobritzsch abgeschlossen.
Im Beisein des Landrats von Mittelsachsen, Dirk Neubauer, dem Bürgermeister von Bobritzsch-Hilbersdorf, René Straßberger, sowie zahlreichen weiteren Bürgermeisterinnen und Bürgermeister des Landkreises wurden erste Ergebnisse des Piloten präsentiert. Schönfeld, zuständiger Projektleiter bei MITNETZ STROM, zeigte sich bei der Veranstaltung in der der Gaststätte „Goldener Löwe“ in Niederbobritzsch sehr zufrieden: „Wir konnten eine saubere Spannungsqualität verzeichnen und unsere Messungen haben ergeben, dass die eigens entwickelte Anlage bestens funktioniert.“
Die Baumaßnahmen zur Errichtung der Containerstation waren im April 2021 begonnen worden. „Danach folgten langwierige und umfangreiche Schutzprüfungen sowie Tests der Mess-, Steuerungs- und Leittechnik, die mit äußerster Sorgfalt ausgeführt werden mussten“, so Schönfeld. „Wir haben Trockenübungen mit einer so genannten Lastbank mit 300 Kilowatt durchgeführt, um höchste Funktionalität, Sicherheit und Zuverlässigkeit der Anlage sicherstellen zu können.“
„Netzqualität hat sich verbessert“
Die Containerstation mit einer leistungselektronischen Netzkupplung ist seit rund 250 Tagen im Dauerbetrieb. Rund 230 Netzkunden im Ortsteil Niederbobritzsch sind an das entkoppelte Ortsnetz angeschlossen und werden zuverlässig mit Strom aus erneuerbaren Energien versorgt. „Es sind weder Probleme aufgetreten, noch konnten wir Störungen feststellen. Im Gegenteil: Laut unseren Daten hat sich die Netzqualität sogar verbessert“, erläuterte Schönfeld und bedankte sich für die gute Kooperation der Anwohner und der Kommune.
„Hier in Niederbobritzsch ist man aufgeschlossen für neue Technologien. Die Zusammenarbeit war sehr gut und die Bürger waren sehr freundlich. Unser besonderer Dank gilt dem Bürgermeister, dass wir die Anlage hier aufstellen durften“, betont der Feldtestleiter. „Ein großer Dank gilt zudem drei Anwohnern, bei denen wir zwei Steuerboxen sowie eine Messstation installieren konnten, um das Aussteuern von Lastspitzen im Netz – etwa durch ein großes Angebot an Solarstrom – erproben und so weitergehende Erkenntnisse, beispielsweise bezüglich des Ladens von Elektroautos, gewinnen konnten.“
Auch Landrat Neubauer hob den praktischen Nutzwert des Forschungsprojekts hervor. „Der Ausbau erneuerbarer Energien wird immer mehr forciert. Dabei sind viele Herausforderungen zu meistern, etwa die sichere Versorgung zu allen Tages- und Nachtzeiten, Netzsicherheit, Akzeptanz und der Ausbau der Netze.“ Das Forschungsprojekt „FlexNet-EkO“ leiste dazu einen wichtigen Beitrag. „Damit beschreiten wir im Landkreis Mittelsachsen Neuland. Das übergeordnete Ziel ist ein flexibler Betrieb der Energieversorgung durch Entkopplung der Ortsnetze“, sagte er. Nur gemeinsam mit allen beteiligten Partnern aus Wissenschaft, Praxis, Kommunalverwaltungen sowie den Bürgerinnen und Bürgern werde es gelingen, die Herausforderungen der Energiewende fachlich fundiert und lösungsorientiert zu meistern.
„Ortsnetz stabiler und unabhängiger“
„Die Containerstation hat erheblich zur Verbesserung der Versorgungsqualität beigetragen und das Ortsnetz von Niederbobritzsch deutlich stabiler und unabhängiger gemacht“, bekräftigte auch Steffen Zerge, Netzregionsleiter bei MITNETZ STROM und verwies auf den Batteriespeicher mit 200 Kilowattstunden Kapazität. „Dieser kann die Solarenergie, die tagsüber aus den umliegenden Anlagen eingespeist wird, puffern. Abends, wenn Elektrofahrzeug-Besitzer auf den Grundstücken in der Umgebung ihre Autos laden wollen, wird der Strom dann wieder abgegeben. Damit wird dem typischen Ladeverhalten des Ortsnetzes Rechnung getragen“, beschrieb er die Vorteile des Projekts für den Alltag der Bürgerinnen und Bürger.
Der Batteriespeicher bietet die Möglichkeit, bei Stromausfällen im vorgelagerten Mittelspannungsnetz Niederbobritzsch zumindest für etwa eine halbe Stunde weiter mit Strom zu versorgen. „Derzeit sind wir in der Abstimmung, ob wir in einem weiteren Test für diese Situation den Ernstfall erproben wollen. Entsprechende Gespräche finden noch statt“, so Schönfeld. Seinen Angaben zufolge soll die Containerstation noch bis Mai am Netz bleiben, um dann im Juni demontiert und abtransportiert zu werden. „Wir werden das System für weitere Forschungszwecke nutzen, zunächst an unserem Standort in Kabelsketal, wo wir andere Bedingungen und unser eigenes Netz zur Verfügung haben.“
Mit dem erfolgreichen Feldtest sei es gelungen, Forschung in die Praxis zu überführen, resümierte der Experte. „Wir konnten technologisch das verifizieren, was wir erproben wollten. Unsere Lösung könnte ein Standardprodukt für das Netz der Zukunft werden. Denn damit lässt sich die Spannungsqualität verbessern, ohne dass massive Investitionen in den klassischen Netzausbau notwendig sind“, erklärte Schönfeld.
Weitere Informationen zum Feldtest und dem Forschungsprojekt:
https://www.mitnetz-strom.de/unternehmen/blog/blog/2021/07/12/15-tonnen-f%c3%bcr-die-energiewende
https://www.mitnetz-strom.de/unternehmen/blog/blog/2022/10/14/ortsnetz-entkoppelt-nachwuchs-interessiert-dienstleister-zufrieden