Wenn der Strom weg ist - Krisenmanagement bei MITNETZ STROM, Teil 4

Im letzten Teil unserer Artikelserie zum Krisenmanagement haben wir beschrieben, wie wir unvorhergesehene Großereignisse mit Auswirkung auf die Stromversorgung handhaben. In diesem Beitrag möchten wir Ihnen die Krisennachbereitung vorstellen und zeigen, was passiert, wenn das Ereignis bewältigt wurde.
Krisennachbereitung: nach der Störung ist vor der Störung
Wenn alle Störungen behoben sind, geht es in die Krisennachbereitung. Denn es ist uns sehr wichtig aus den Ereignissen zu lernen und abzuleiten, was wir im Krisenmanagement zukünftig besser machen können.
Um aus den vergangenen Ereignissen unsere Schlüsse zu ziehen, ist es wichtig die Geschehnisse auszuwerten und näher unter die Lupe zu nehmen. Dazu sammeln wir alle zum Ereignis gemachten Dokumentationen, zum Beispiel Systemauswertungen, Protokolle, E-Mail-Verkehr. Diese bereiten wir auf und gehen mit allen beteiligten Kollegen in den Austausch.
In diesen Lessons Learned-Runden gehen wir die einzelnen Erfahrungen und Blickwinkel der Kollegen durch, um zu erfahren, welche Probleme oder Schwierigkeiten gab. Natürlich besprechen wir auch, was gut gelaufen ist. Hierbei geht es zum Beispiel um folgende Punkte:
- Zusammenarbeit
Wie haben die verschiedenen Abteilungen zusammengearbeitet? Wurden alle relevanten Maßnahmen miteinander abgestimmt? - Prozesse
Haben alle festgelegten Abläufe funktioniert? - Kommunikation nach innen und außen
Waren alle internen Kollegen und externe Stakeholder frühzeitig informiert?
Aus diesen Gesprächsrunden leiten wir dann gezielt unsere Maßnahmen ab und passen bei Bedarf auch unsere Prozesse, Ausrüstung oder Anlagen an. Was das konkret in verschiedenen Bereichen der MITNETZ bedeutet, schauen wir uns jetzt einmal an Hand einiger Beispiele an.
Maßnahmen im Bereich Realisierung/Betrieb
Udo Stöckel, Leiter des Bereichs Realisierung/Betrieb (Bild oben, rechts) erläutert: "Jede Krisensituation fordert vollste Konzentration und zusätzliche Leistungsbereitschaft von den Kollegen. Dies bewältigt man nur gemeinsam, mit einem starken Team im Rücken und vor allem gut vorbereitet. Aus den vergangenen Ereignissen haben wir wichtige Ableitungen getroffen, die uns bei ähnlichen Situationen in der Zukunft nützen."
1. Planmäßige Netzmaßnahmen verschieben
Um eine schnelle Wiederversorgung unserer Kunden zu gewährleisten, priorisieren wir unsere Aktivitäten. Maßnahmen im Netz, die nicht unbedingt erforderlich sind, werden verschoben. So können wir unsere Monteure und Partnerfirmen effizient und schnell an der Wiederversorgung arbeiten lassen.
2. Materialbeschaffung
Nach dem ein Überblick über den Schadensumfang vorhanden ist, gibt es mit unserem Lager eine Bestandsaufnahme über die Verfügbarkeit von benötigtem Netzmaterialien wie Holzmaste, Kabel und Leiterseile. Bei Bedarf wird unverzüglich weiteres Material bestellt.
3. Beschaffung zusätzlicher Technik
Auf Grund der Erfahrungen, die wir durch Hochwasser und Stürme gewinnen konnten, haben wir Spezialausrüstung beschafft. Diese soll uns in die Lage versetzen, noch gezielter und schneller auf Krisensituationen .zu reagieren.
Beaversystem
Ein mobiles Hochwasserschutzsystem zum Schutz unserer Anlagen, wie zum Beispiel Umspannwerken. Entscheidend in Krisenfällen ist hier die Zeit- und Kraftersparnis, denn dieser Schlauchdamm, welcher mit Wasser befüllt wird, ist schneller aufgebaut als ein vergleichbarer Sandsackdamm.
Geländegängige Netzersatzanlagen
Für einen flexiblen Einsatz auf unwegsamen Untergrund. Sie ist mit Allrad und zuschaltbarer Sperrung des Differential, der Hinter- und Vorderachse ausgerüstet. Die Wirkleistung beträgt 220KW. Der Tankinhalt beträgt 900 Liter, ausreichend für 10 Stunden Einsatzzeit.
Ersatz-Schaltcontainer
Kommt es zur Störung im Mittelspannungsschalthaus eines Umspannwerkes, kann einie schnelle Wiederversorgung mit einem beweglichen Schaltcontainer gewährleistet werden. Ein Schaltcontainer ist eine mobile Mittelspannungsschaltanlage, die die Energieverteilung im Mittelspannungsnetz provisorisch gewährleisten soll.
35 m-Hubarbeitsbühne
Mit dieser sehr hohen Arbeitsbühne können wir insbesondere bei Ereignissen im Hochspannungs-Freileitungsnetz Reparaturen unverzüglich ausführen.
4. Erhöhung der Sicherheit durch Transparenz und offene Fehlerkultur
Krisen wie zum Beispiel Stürme bringen für unsere Monteure immer ein erhöhtes Gefährdungspotential wie umgestürzte Bäume in Wäldern entlang unserer Freileitungsstrecken mit sich. Bei der Beräumung von umgestürzten Bäumen kommen Kettensägen zum Einsatz. Ereignen sich gefährlichen Situationen, Fehlhandlungen oder Unfälle, wird immer eine Untersuchung der Ursachen und eine Auswertung vorgenommen. Die Aufbereitung wird unseren Kollegen in der nächsten Arbeitsschutzunterweisung vorgestellt um jeden Einzelnen zu sensibilisieren. Oft werden auch zusätzliche Festlegungen getroffen und weitere Gefährdungsbeurteilungen erstellt um solche Vorkommnisse zukünftig zu vermeiden. Die eigene Sicherheit steht immer an erster Stelle.
Maßnahmen in der Netzführung
1. Optimierung Informationsfluss
Hierunter verstehen wir die Verbesserung des internen Informationsflusses durch das Nachschärfen von Kommunikationsketten, aber auch die Unterstützung durch IT-Systeme. So entalsten wir unsere Call-Center zum Beispiel durch unsere Online-Störungsinformation. Betroffene Kunden haben hier die Möglichkeit, sich an Hand ihrer Postleitzahl zu informieren, ob bei Ihnen zu Hause eine Störung vor-liegt und wie lange deren Behebung voraussichtlich dauert.
2. Krisenübungen durchführen und auswerten
Jedes Jahr werden, wie in Teil 2 unserer Serie beschrieben, Krisenübungen zu ausgewählten Szenarien durchgeführt. Diese Übungen werten wir hinterher aus und schauen, welche Abläufe gut funktionierten und wo wir noch Handlungsbedarfe sehen.
Theresa Borchardt von der Netzführung: "Durch die regelmäßige Durchführung und Auswertung von Krisenübungen können wir frühzeitig feststellen, was es in unserer Krisenorganisation an Verbesserungen braucht, um gut für Krisen-und Störungsereignisse gewappnet zu sein.
Maßnahmen aus vergangenen Krisenübungen waren zum Beispiel:
- Ergänzung Checklisten oder Anleitungen im Krisenraum
- Nachschulung von Kollegen
- Änderung von einzelnen Prozessschritten
- Aktualisierung von Kontaktdaten
Maßnahmen bei Asset Management und Bau
Stromleitungen kann man überirdisch (Freileitungen) oder unterirdisch als Kabel verlegen. Letzteres ist zwar um einiges teurer, bietet dafür aber einen besseren Schutz bei extremen Naturereignissen wie Stürmen. Aus diesem Grund verlegt MITNETZ STROM immer mehr Leitungen unter der Erde.
In der Mittelspannung haben wir aktuell einen Verkabelungsgrad von 83% erreicht. Dieser Anteil wird sich sukzessive weiter erhöhen. Entsprechend unserer neuen Netzrichtlinie „Planung von Hoch-, Mittel- und Niederspannungsnetzen“ werden neue Mittelspannungsleitungen grundsätzlich in Kabelbauweise ausgeführt.
Ausnahmen wären eventuell größere Talüberspannungen oder besonders schwierige geologische Verhältnisse. Die Verkabelung vorhandener Freileitungen erfolgt im Rahmen des Substanzerhaltes oder bei notwendigen Netzausbaumaßnahmen.
Auch im Niederspannungsnetz werden neue Leitungen als Kabel oder bei schwierigen geologischen Bodenverhältnissen als isolierte Freileitung ausgeführt.
Weitere Informationen und News zu Netzsicherheit und Krisenmanagement
Damit endet unsere vierteilige ausführliche Artikelserie zum Thema Krisenmanagement bei MITNETZ STROM. Wir hoffen, dass der offene Blick hinter die Kulissen eines Netzbetreibers und seiner Sicherheitsmechanismen interessant für Sie war.
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